Wir lernen schon ganz früh im Leben, uns anzupassen. Ich seh das deutlich bei meinen Kindern: sie wollen es den Erwachsenen recht machen und tun oder sagen dazu Dinge, die nicht wirklich ihrem Wesen entsprechen. Es stellt sich die Frage: wo ist dieses Verhalten sinnvoll und angezeigt und wo nicht? Wo und wann wäre es wichtig, sich selbst zu bleiben, damit man sich nicht von sich selber entfernt und sich verbiegt?
Ich denke, es gibt Regeln, deren Befolgen Sinn macht, weil sonst das Zusammenleben in der Familie oder der Schulbetrieb schwierig werden würde. Als Juristin weiss ich um die Wichtigkeit solcher Regeln, damit viele verschiedene Menschen mit den unterschiedlichsten Ansichten friedlich miteinander leben können. Anarchisten sind hier anderer Ansicht, aber lassen wir das Politische an dieser Stelle mal weg. Denn dieser Blogartikel dreht sich nicht um das Befolgen solcher notwendigen Regeln. Heute möchte ich ein paar Gedanken zum Thema festhalten:
was passiert mit einem, wenn man sein eigenes Verhalten an andere anpasst, weil man den Eindruck hat, nicht gut genug zu sein?
Wenn man gefallen will, dazugehören will oder keine negativen Bewertungen über sich ergehen lassen will? Wenn man eine Rolle spielt, um nicht anzuecken oder nicht blossgestellt zu werden?
Ich erlebe es so, dass ein solches Anpassen / Verstellen in gewissen Situationen durchaus angebracht und energieschonend sein kann. Zum Problem wird es meiner Meinung nach dann, wenn man es zu lange und zu oft macht. Denn dann droht die Gefahr, dass man irgendwann an einen Punkt kommt, wo man nicht mehr weiss: wer bin ich überhaupt? Was denke ich eigentlich wirklich über mich und andere? Welche Werte sind mir tatsächlich wichtig und welche habe ich einfach so übernommen, ohne sie je zu hinterfragen?
Ich bin in meiner Coachingtätigkeit vielen Menschen begegnet, die im Laufe ihres Lebens an den Punkt gekommen sind, wo sie plötzlich mit sich selbst ins Hadern gekommen sind. Da schliesse ich mich mit ein. Ich war eine Meisterin der Anpassung! Doch mit dem Älterwerden ändert sich so einiges. Inzwischen empfinde ich Anpassung durchaus als grosse Fähigkeit. Vor allem im Zusammenleben mit anderen oder als Mutter. Ich weiss nicht, wie ich die Kleinkindzeit mit meinen Jungs überstanden hätte ohne die Fähigkeit, mich an ihr Tempo und ihren jeweiligen Entwicklungsstand anzupassen. Deshalb sehe ich Anpassung durchaus auch als wertvoll an. Doch wenn ausschliesslich Anpassung den Alltag bestimmt und man zum fremdgesteuerten Roboter wird, dann kann man sich dabei ganz schön elend, leer und unglücklich fühlen. Es kann regelrecht krank machen. All jenen, die das kennen, wünsche ich den Mut und die Kraft, rechtzeitig den Stoppknopf drücken zu können. Es ist nie zu spät, in sich hinein zu fühlen und herauszufinden, was einen denn als Person ausmacht.
Wer sind Sie, wenn Sie sich nicht anpassen, wenn Sie sich nicht verstellen? Welche Werte sind Ihnen wichtig? Wie möchten Sie leben? Wann fühlen Sie sich wohl? Welche Menschen tun Ihnen gut? Dieses neue ICH mag sich anfangs seltsam anfühlen, ungewohnt eben. Das Umgewöhnen braucht Zeit – doch ich kann Ihnen versprechen: wenn Sie auf diesem Weg bleiben und Schritt für Schritt Ihr eigentliches ICH entdecken, dann fühlt sich das grossartig an! Auf einmal ist Ihr Leben wieder stimmig. Bleiben Sie weiter auf diesem Weg! Es lohnt sich! Seien Sie einfach sich selbst!
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